Kapitel 7               

Interviews

Weshalb Interviews?

Ein Interview im Video ist ebenso wirkungsvoll wie schwierig. Egal, ob im Fami­lien-, Urlaubs- oder Imagevideo, nahezu jede Art von Video gewinnt durch ein Interview – wenn du einiges dabei beachtest. Persönlich und weniger distanziert als ein (unsichtbarer) Sprecher wird ein Interviewpartner in deinem Video als Experte wahrgenommen. Seine Aussagen besitzen einen hohen Authentizitätswert. Er spricht Zuschauer direkt an und ist in seiner Wirkung überzeugender als die Stimme eines unsichtbaren Kommentators.

Interviews vorbereiten

Ein Interview soll dazu beitragen, deine (Video-)Geschichte überzeugend, spannend, interessant und glaubwürdig zu erzählen.

  • Fragen nach dem Wunsch, sich als Junge als Rotkäppchen zu verkleiden, beantwortet die Kindergartenerzieherin im Interview überzeugend.
  • Der Hundeführer einer Rettungshundestaffel hat bereits viele Nachteinsätze miterlebt und kann im Interview spannend darüber berichten.
  • Wer hätte gedacht, wie kompliziert es in einer Kleinstadt ist, die Verkehrswende mit der Einführung eines Lastenfahrradverleihs zu unterstützen? Das Interview mit einem Mitarbeiter erlaubt einen interessanten Blick hinter die Kulissen der Arbeit einer Stadtverwaltung.
  • Remo ist kein brillanter Redner. Die Berufsausbildung zum Zimmermann in dieser Bildungseinrichtung erlebte er als Chance für seinen Berufsstart. Im Interview schmückt er nichts aus, spricht glaubwürdig über seine berufliche Entwicklung, den Job in Norwegen und den Aufbau von Häusern unter schwierigsten Bedingungen.

Am Beginn der Vorbereitung steht die Frage nach der konkreten Funktion des Interviews beim Erzählen der Videogeschichte.

  • Soll der Interviewte Fakten zum Thema bestätigen, untermauern oder plastischer darstellen?
  • Ist der Interviewpartner in der Sache eine bedeutende Autorität, sodass dessen Wort über jedem Zweifel steht?
  • Kann der Interviewpartner neue Fakten, überraschende Aspekte und/oder ungewohnte Sichtweisen ins Spiel bringen?
  • Ist es die Funktion des Interviewten, Kritisches zum Thema anzusprechen, zu zweifeln oder zu mahnen?

Wenn die inhaltliche Richtung des geplanten Interviews deutlich umrissen ist, formuliere konkrete Fragen, die während des Interviews nach einer Antwort verlangen. Diese Fragen, natürlich auf einem Blatt Papier, bilden das spätere Gesprächsgerüst. Als Neuling bei der Führung von Interviews kann es sehr hilfreich sein, die zu stellenden Fragen schriftlich auszuformulieren.

  • Der Vorteil: Du kommst nicht so einfach aus dem Tritt, falls der Interviewpartner dich in ein (vom Thema abweichendes) Gespräch verwickelt. Du behältst das Heft des Fragens in der Hand!
  • Der Nachteil: Die Flexibilität, auf Antworten direkt mit nicht geplanten Fragen zu reagieren und selber vom ursprünglichen Konzept abzuweichen, ist deutlich eingeschränkt.

Jeder Interviewpartner ist dankbar, wenn:

  • Antworten vom Interviewer nicht vorgegeben werden
  • Antworten nicht auswendig gelernt werden müssen

Beides ist schlechter Stil. Zuschauer bemerken solche »Tricks« schnell und reagieren darauf – zu Recht – mit eisiger Ablehnung und Verachtung.

Gesprächsführung

Deine Interviewpartner werden häufig keine Profis darin sein, das erste Mal vor einer Kamera zu sitzen, um Fragen zu beantworten. Verwickle sie in ein Gespräch und stelle dabei deine Fragen. Mit dieser Interviewtechnik »kitzelst« du Antworten aus deinem Gegenüber, die du beim sturen Abarbeiten eines Fragespiegels nicht bekommst. Aus einem solchen lockeren Gespräch die für das Video passenden Antworten herauszuschneiden, ist eine mühsame Angelegenheit.

Es gibt Interviewpartner, die kommen bei einem Gespräch so richtig ins Erzählen. Das nervt? Lass sie, unterbrich sie nicht! Auch wenn es schwierig ist, aus langen Mono­logen die Antworten später mit dem Programm herauszuschneiden. Manchmal hilft es auch, die Frage(n) noch einmal zu stellen und zu hoffen, dass die erneute Antwort weniger »eingepackt« ist.

Nicht jeder Interviewer möchte im fertigen Video zu sehen oder zu hören sein. Ansonsten entstehen nicht verarbeitbare Gesprächsfetzen, deren weitere Verwendung praktisch unmöglich ist. Der Befragte muss in seiner Antwort auf die ihm gestellte Frage direkt eingehen:

Beispiel: Frage nicht in Antwort berücksichtigt

Interviewer: »Sind Sie zufrieden mit dem neuen Produkt Ihres Unternehmens?«

Interviewter: »Ja.«

Die Antwort »Ja« lässt keinen Schluss auf die Frage nach dem Produkt zu. Die Antwort ist unbrauchbar.

Beispiel: Frage in Antwort

Interviewer: »Sind Sie zufrieden mit dem neuen Produkt Ihres Unternehmens?«

Interviewter: »Das neue Produkt unseres Unternehmens ist eine echte Innovationsgranate und wir sind sehr stolz darauf.«

Diese Antwort ist auch ohne die unhörbare Frage verwendbar.

Unerfahrenen Interviewpartnern fehlt es an Erfahrung, vor der Kamera natürlich zu erscheinen. Bei ihnen besteht die Gefahr, dass sie es bei ihrem »Auftritt« vor der Kamera besonders »gut« meinen und genau deshalb bei Wort und Gestik unnatürlich wirken.

Solche Reaktionen sind sehr menschlich. Versuche, sie bereits bei der Vorbereitung abzumildern und eine gute Atmosphäre zu schaffen.

Wenn der Interviewpartner direkt in die Kamera sieht, hat der Zuschauer das Gefühl, direkt angesprochen zu werden. Das kann sehr persönlich wirken, aber auch aufdringlich.

Interviews – sagen mehr als Worte

Gänzlich ungeeignete Einstellungsgrößen (Seite 63) für Interviews gibt es kaum. Die Totale könnte dazu gezählt werden, auch Detail-Aufnahmen sind bei Interviews eher selten. Unbedingt geeignete Formate sind Halbnah-, Nah- und Groß-Einstellung. Füllt der Interviewte das Bild, sollte er (möglichst) in die offene Bildseite hinein sehen.

Abb. 7.1: Interview – Blick von der geschlossenen in die offene Bildseite

Auch bei Interviews gilt: Was soll erzählt werden und wie?

Keine Nachrichtensendung vergeht ohne Interview mit einem Minister, einem bekannten Sportler oder einem irgendwie betroffenen Bürger. Kurz und knapp geht es dabei zu. Die pure Information steht im Vordergrund und häufig sitzt Zeitdruck den Drehteams im Nacken. Du aber wirst dir Zeit nehmen für deine Interviewpartner. Suche daher für das bevorstehende Gespräch einen Drehort, der ungestörtes Arbeiten ermöglicht und die Chance bietet, die Location zum Baustein deiner Geschichte zu machen.

Lass eine Erzieherin nicht in einem sterilen Büro Fragen über frühkindliche Entwicklung beantworten. Ein Gruppenraum, spielende Kinder im Hintergrund, das ist ihre gewohnte Umgebung. Hier fühlt sie sich wohl und kann entspannt Fragen beantworten.

Ob eine von dir interviewte Person sitzt, steht oder läuft, ist gleichgültig. Hauptsache, du bleibst mit ihr in engem Kontakt. Unwichtig ist auch, ob du im Bild zu sehen bist. Viele Interviews werden ohne sichtbaren Interviewer gedreht. Hauptsache, der enge Kontakt zu deinem Gegenüber geht nicht verloren.

Abb. 7.2: Interview in gewohntem Umfeld 1 – Chirurg im OP

Abb. 7.3: Interview in gewohntem Umfeld 2 – Komponist mit Partitur

Platzierst du den Interviewpartner in einer für ihn typischen Umgebung, vermittelt das – wortlos – etwas über ihn.

Der Zuschauer »erlebt« die häusliche Umgebung, fiebert gespannt in der Umkleide des Fußballklubs auf das anstehende Spiel oder lernt die Arbeitsstelle kennen.

Mobil und beweglich

Mit der Aufnahmequalität der Gespräche bist du zufrieden, solange sich der Gesprächspartner in deiner unmittelbaren Nähe befindet und Umgebungsgeräusche das Gespräch nicht beeinträchtigen.

Abb. 7.4: Mikrofon extern – RØDE Lavalier

Der Wunsch nach Bewegungsfreiheit bei der Bildgestaltung bei gleichbleibend gutem Ton bringt dich auf den Gedanken, den Gesprächspartner über ein externes Mikrofon aufzunehmen.

Bei Videomachern sind sie sehr beliebt: Lavalier-Mikrofone. Einfach anzuschließen, im Bild kaum zu sehen und per Clip sicher an der Kleidung zu befestigen, sorgen sie für einen sehr guten Ton.

Der Anschluss per Kabel – die gibt es bis zu mehreren Metern Länge – ist bei Android-Smartphones direkt an der 3,5-mm-Buchse und bei einem iPhone ab Version 7 über einen entsprechenden Adapter möglich.

Wenn die Länge des Kabels nicht ausreicht oder als latente Stolperfalle empfunden wird, lohnt bei regelmäßigem Einsatz und vorhandenem Budget die Anschaffung einer drahtlosen Lösung.

Zur Grundausrüstung der drahtlosen Übertragung braucht es außer dem Mikrofon einen Sender und einen Empfänger. Für die Übertragung wird das Mikrofon an einen Sender angeschlossen.

Abb. 7.5: Funkmikrofon – RØDE Wireless GO II

Dieser funkt das Signal zu einem Empfänger. Von dort wird es per Kabel zum Smartphone weitergeleitet.

Sollen später beide Gesprächspartner drahtlos übertragen werden, reicht zur Erweiterung ein zusätzlicher Sender. Die Reichweite von Sender zu Empfänger beträgt je nach Modell und bei freier Sicht 100 bis 200 Meter. Die Qualität der Übertragung wird auch höchsten Anforderungen gerecht.

Tricks und Tipps für Interviews

  • Sei pünktlich vor Ort und bereite das Interview komplett vor: Technik aufbauen, Bild, Ton und Licht ausprobieren.
  • Setze ein Double für die Vorbereitung ein. Bild-, Ton- und Lichteinstellungen kannst du so in Ruhe vorbereiten.
  • Eine zweite Kamera zeichnet einen anderen Ausschnitt der Szene auf. Das vereinfacht später Schnitte.
  • Hat die zweite Kamera eine 4K-Auflösung und wird in der Timeline (im Projekt, mit HD, also 1920 x 1080) gearbeitet, kann man nachträglich ohne Qualitätsverluste in das Bild der 4K-Kamera hineinzoomen.
  • Sprich ruhig und entspannt mit dem Interviewpartner.
  • Ein nettes Gespräch über »das Wetter, die Anreise und anderes Belangloses« sorgt für eine gewisse Normalität.
  • Nie Schnittbilder vergessen: Aufnahmen des Raums, Hände des Interviewten, Requisiten aus dem Umfeld (Bücher, Werkzeuge, Arbeitsgeräte) können später genutzt werden, um Audioschnitte optisch zu »verstecken«.
  • Wenn der Partner zum Interview erscheint, wird er bemerken, wie vorbildlich du vorbereitet bist. Er wird dich ernst nehmen und das Interview wird erfolgreich.